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Artikel / Berichte

Sideboards II – Beispiel Reanimator
Magic Karten Beobachtungsliste 
Henning Kurella
05.07.2013
Dieses Mal wird es um die Gestaltung eines guten Sideboards gehen …
Ich hatte ja schon einen Artikel über Sideboards geschrieben, der allerdings eher allgemein gehalten war und den Begriff Sideboard näherbringen sollte. Wenn ihr also noch ein wenig wackelig seid, was Sideboards angeht, schaut zuerst hier rein. Da ich selbst in den letzten Wochen Reanimator spiele, bringe ich im Laufe dieses Artikels ständig Beispiele aus diesem Deck zur Veranschaulichung. Wenn ihr noch einmal sehen wollt, was es mit dem Deck auf sich hat, dann guckt hier.


Oft beginnt ein Deck mit einer Idee. Naya-Blitz zum Beispiel entstand aus dem Wunsch heraus, mit Burning-Tree Emissary und vielen Kreaturen für ein bis drei Mana schnell den Tisch zu füllen. UW-Flash wurde durch die Synergien zwischen Augur of Bolas, Snapcaster Mage und Restoration Angel mithilfe von Sphinx's Revelation geschaffen. Reanimator wurde wahrscheinlich aus dem Wunsch heraus geboren, Craterhoof Behemoth im vierten oder fünften Zug verfügbar zu haben. Unburial Rites ist hier das Mittel zum Zweck. Die Synergie aus Thragtusk und Restoration Angel kam erst später dazu und ebenso war die Entdeckung von Acidic Slime für das Deck eher eine späte Erfindung. Die Idee hinter dem Deck blieb jedoch immer die Gleiche. Dieses Prinzip habe ich im letzten Artikel „Engine“ oder zu Deutsch „Motor“ getauft.

Wenn wir nun also über das Sideboard unseres Decks nachdenken, müssen wir im Hinterkopf behalten, dass wir die Idee unseres Decks erhalten sollen. Die Engine unseres Decks muss erhalten bleiben. Sollte unsere Engine klein oder flexibel sein, dann spricht nichts dagegen, die Engine auch einfach zu tauschen. In nur wenigen Fall wollen wir die Engine aber zerstören, beschneiden oder auswechseln müssen. Je weniger wir an der Engine herumbasteln wollen, desto einfacher und effektiver sind Sideboardpläne.


Pläne, das ist richtig! Wer ein FNM oder größere Turniere gewinnen will, der braucht einen Sideboardplan. Aber wie funktioniert das? Man überlegt sich zunächst, welche Karten das eigene Deck verlassen müssen, welche Karten das Deck verlassen sollen und welche es verlassen könnten. Diese Unterscheidung gibt einem einen Eindruck, wie viele Karten nach dem Sideboard ersetzt werden können. Reanimator verzichtet gegen Control gerne auf kleinere Kreaturen. Gegen Aggrodecks entfernt man gerne Craterhoof Behemoth, Mulch, vielleicht mal ein Exemplar von Unburial Rites oder einen Angel of Serenity. Man sieht hier schon einerseits gewisse Abgrenzungen zwischen offenen Plätzen und Karten, die noch ganz gut sind, aber eher ausgetauscht werden könnten. Hat man eine fertige Deckliste aus 60 Karten, so stellt man mit ebendieser Idee einen Plan auf, welche Karten entfernt werden könnten.

Je nachdem, gegen welche Decks man erwartet zu spielen, kann die resultierende Tabelle größer oder kleiner werden. Aggressive Decks haben meist relativ kurze Sideboardpläne, doch hier darf man sich nicht täuschen. Bei Aggrodecks kommt es auf jeden Schadenspunkt an, sodass ein guter Sideboardplan hier ebenso wichtig ist wie bei langsameren Decks. Im Fall von Reanimtor habe ich oft ein paar Karten der Engine als vakant markiert. Wieso? Man darf nicht vergessen, dass der Gegner nach dem Sideboard beginnt, die eigene Engine anzugreifen, zum Beispiel mit Purify the Grave oder Rest in Peace. Es ist also gegen weiße Decks eine Überlegung wert, ein oder zwei Unburial Rites auszuboarden, weil man sich auf diese nicht mehr ausreichend verlassen kann. Gegen Aggrodecks möchte man im zweiten Zug dagegen eher kein Mulch zaubern, sondern eine Kreatur beschwören oder eine gegnerische abschießen. Daher ist der Platz dieser Enginekarte gegen Aggrodecks vakant.

An dieser Stelle kann man auch ein wenig mehr über sein Deck erfahren. Wenn man zum Beispiel eine bestimmte Karte eher oft aus dem Deck entfernen will, sollte man sich fragen, wieso. Was stimmt mit der Karte nicht? Warum haben wir sie dann im Deck? Fliegt etwa der 3-Drop häufig raus, könnte man darüber nachdenken, von vornherein nur zwei oder drei Exemplare zu spielen und dafür eine Alternative zu suchen, die das Deck verstärkt. Auf der anderen Seite kann es natürlich auch sein, dass eine Karte gegen einen unbekannten Gegner durchaus das Optimum darstellt und wirklich erst nach dem Sideboarden durch Besseres zu ersetzen ist.


Als Nächstes ist es sinnvoll einzuschätzen, wie wichtig die einzelnen Decks sind, die man bei seinen Gegnern erwartet. Trifft man oft auf Aggrodecks und es gibt auf dem eigenen FNM nur einen der Kontrolle spielt? Dann ist es wichtiger, einen starken Sideboardplan gegen Aggro zu haben. Eventuell möchte man sogar eine der teuren Kreaturen, die gegen Aggro immer aus dem Deck gehen, ins Sideboard legen, um bereits im ersten Spiel besser gegen Aggro dazustehen. Vielleicht ist der eine Kontrollspieler aber sehr, sehr gut und häufig im Finale. Wollen wir ihn also auf jeden Fall schlagen? Dann brauchen wir einen guten Plan gegen sein Deck, ohne dass häufige Aggromatchup zu zerstören. Jetzt ist Erfahrung gefragt. Wer sein Deck ein wenig kennt, der wird hier sicher viele neue Ideen finden, die das eigene Deck vor und nach dem Sideboard verstärken können.

Der letzte Schritt ist der schönste, wie ich finde. Jetzt kann man den Gatherer heranziehen und nach Karten suchen, die gegen spezielle Feinde fantastisch sind. Hat man Probleme mit Champion of the Parish? Dann könnte Abrupt Decay oder Unsummon helfen. Interagiert der Gegner häufig mit dem Friedhof und man selbst ist unabhängig davon? Dann könnten ein paar Stück von Rest in Peace das Duell entscheiden. Geht es im Kampf Kontrolle gegen Kontrolle darum, wer die meisten oder die erste größere Sphinx's Revelation zaubert? Dann sind Dispel oder Negate die Mittel der Wahl. Egal was auf einen zukommt, die Antwort ist bereits da. Man muss sie nur noch finden.

Auf einmal ist die Auswahl der 15 Karten im Sideboard sehr viel einfacher als zuvor. Es wird nicht mehr vorkommen, dass man zum Sideboard greift, zehn Karten auf den Tisch legt, die man gerne spielen möchte und nicht weiß, welche das Deck verlassen sollen. Klar kann man sich nicht auf alles vorbereiten. Hat man einmal einen Sideboardplan aufgestellt, kehrt man auch mal nach dem nächsten FNM zurück und ist enttäuscht, dass man an das ein oder andere Match nicht gedacht hat. Jemand hat ein neues Deck gespielt? Probleme gehabt? Welche Karten kann man gegen das Deck spielen? Wie wichtig ist mir das Matchup? So entwickelt sich im Laufe der Zeit ein viel größerer Sideboardplan, als man anfangs denkt. Die Entwickung meines Sideboardplans für Reanimator hat nun vor rund drei Monaten begonnen. Heute habe ich eine Excel-Tabelle, die mir viele Informationen über die bestehenden Decks liefert. Ich freue mich jeden Freitag, meine Ideen aus der letzten Woche anzubringen. Ich habe noch kein einziges FNM mit exakt demselben Deck wie davor besucht. Es ist immer anders. Und wenn ich mal nicht so gut abschneide, habe ich jedenfalls Gewissheit, dass ich mein Bestes gegeben habe. Dann geht es zurück an den Schreibtisch und es wird wieder gegrübelt.

Der Ansatz, sich über das Sideboard mehr Gedanken zu machen, kann eine wichtige Rolle im Kampf um Sieg oder Niederlage spielen. Die besten Spieler der Welt arbeiten an ihren Sideboards in sehr ähnlicher Weise. Vielleicht machen sie keine Tabellen oder Notizen, weil sie einfach so viel Erfahrung haben, dass alles in ihren Köpfen steckt. Bedenkt, dass die Spitzenspieler viele hundert Testspiele machen, bevor sie auf ein größeres Turnier fahren. Durchleuchtet man die zu erwartenden Decks und spielt jeweils ein paar Matches gegen diese, kann man innerhalb einer Woche intensiver Arbeit einen Sideboardplan erstellen, der durch das Turnier brechen kann. Die Arbeit an dem Sideboard ist die aufregendste und intensivste im Constucted. Wer viel für sein Sideboard tut, wird automatisch durch die Notizen und Einschätzungen auch das Hauptdeck verbessern. Wie weiter oben beschrieben, erhält man einen Eindruck, welche Karten häufig kommen und gehen. Zum Abschluss möchte ich euch noch ein paar wenige Faustregeln mit auf den Weg geben.

Prinzipiell sind Karten mit geringen Spruchkosten in Sideboards besser als Karten mit hohen Spruchkosten. Pillar of Flame oder Duress sind einfach, aber sehr effizient. Günstige Sprüche machen früh einen Unterschied. Sideboardkarten können sehr speziell sein, also nutzt die Wirkung in den ersten Zügen!
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Mit einem Aggrodeck möchte man so viele Schadenspunkte pro Zug herauskitzeln wie möglich. Ebenso will man die Aktionen des Gegners in den ersten Zügen so stark wie möglich stören. Thalia, Guardian of Thraben ist eine sehr gute Karte gegen Controldecks, weil sie beide Ziele miteinander vereint. Sie findet im Sideboard einen Platz, wenn man denkt, dass sich der Gegner früh mit Zaubersprüchen verteidigen wird. Hat man den Eindruck, dass Kontrolle im Moment eher dominiert, skann sie sogar im Hauptdeck untergebracht werden. Dieses Prinzip gilt natürlich allgemein, aber dem Aggrodeck sind diese kleinen Entscheidungen sehr wichtig, um Turniere zu gewinnen.
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Mit einem Aggrodeck möchte man entsprechend auch Spells spielen, die dem Gegner direkt schaden können. Searing Spear, Pillar of Flame oder Boros Charm können für das Hauptdeck die richtige Wahl sein. Spielt der Gegner jedoch Loxodon Smiter, so sind diese Sprüche gegen den Elefanten quasi nutzlos. Eventuell sollten ein paar davon teilweise durch Mizzium Mortars aus dem Sideboard ersetzt werden? Gerade für Aggrodecks ist Effektivität wichtig. Auch dieser Tipp erscheint banal, allerdings ist der Austausch von Karten mit ähnlichem Zweck in Aggrodecks oft der Schlüssel zum Sieg.
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Denkt an eure Engine! Was macht ihr damit. Was macht euer Gegner nach dem Sideboard gegen eure Engine? Was wollt ihr gegen die Engine des Gegners unternehmen?
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Als Mittelstrecken- oder Kontrolldeck wollt ihr gegen Aggrodecks eure Manakurve senken. Gegen andere Mittelstreckendecks und Kontrolldecks wollt ihre eure Manakurve tendenziell erhöhen. Oft geht es hier um Kartenvorteil!
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Als Mittelstreckendeck will man gegen Aggrodecks früh Karten eins zu eins abtauschen. Scheut euch nicht, die billigen Kreaturen eures Gegners zu zerstören, bevor sie Schaden anrichten können. Auf lange Sicht werdet ihr das Mana für Premiumkarten finden und das Spiel sowieso gewinnen. Spart den Searing Spear in Zug 2 eher nicht zu lange auf! Ein Hellrider ist böse, aber wenn ein Rakdos Cackler bereits dreimal ungehindert angreifen konnte, sind das auch schon 30% eures Lebens gewesen!
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Wenn ihr mit und gegen Mittelstrecke oder Kontrolle spielt, denkt daran, dass es oft um Kartenvorteil geht. Bringt Sprüche und Kreaturen, die Kartenvorteil des Gegners verhindern und/oder euch selbst entsprechenden bescheren.

So, das war's von mir und von meinen Erfahrungen. Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!

Henning